Markierungsarbeiten und Wegsanierungen im Bereich Hadersdorf – Sophienalpe – ein aktueller Überblick und ein 140-jähriger Rückblick
Der rot markierte Wanderweg von Hadersdorf zum Moosgraben
Die rote Markierung von Hadersdorf zum Moosgraben ist großteils ein Straßenweg. Die Strecke beträgt 2,2 km, davon führen lediglich 250 m durch den Wald. Der Großteil der Markierungen muss daher in Ermangelung der Bäume auf Strommasten – häufig noch immer als „Telegraphenmasten“ bezeichnet – und auf Beleuchtungsmasten angebracht werden. Angesichts des Missverhältnisses zwischen Wald und Straße könnte die durchaus berechtigte Frage gestellt werden, ob es Sinn macht, Wanderwege mit einem so großen Straßenanteil weiterhin zu markieren.
Dem ist einerseits entgegenzuhalten, dass auch Wege im verbauten Gebiet landschaftliche Reize aufweisen können, die den Vergleich mit Wald und Wiese nicht zu scheuen brauchen. Die rote Markierung von Hadersdorf zum Moosgraben nahe Hütteldorf ist ein solcher Weg. Er läuft durch ein sehr verkehrsarmes Siedlungsgebiet in den höheren Randlagen des 14. Wiener Gemeindebezirks. Gepflegte Gärten, alte Villen, kurze Waldpassagen und Ausblicke auf die Hügel und Berge des Wientals prägen die Szenerie.
Andererseits lebt gerade in solchen Wegen noch eine alte Ausflugstradition weiter, die mit dem Wachsen der Stadt und all ihren Begleiterscheinungen immer mehr in Vergessenheit gerät. Diese Wege sind farblich gekennzeichnete Spuren in eine Vergangenheit, in der die Ströme des Freizeitverkehrs anderen Gesetzmäßigkeiten gehorchten als heute. Sie sind Reste eines historischen Verkehrsgeschehens, ein Kulturgut, dessen Fortbestand durchaus berechtigt erscheint.
Die rote Markierung von Hadersdorf zum Moosgraben ist Teil einer solchen alten Wanderroute. Die biedermeierliche Wanderliteratur der 1830er Jahre beschreibt diesen beliebten Tagesausflug. Er nahm seinen Anfang in Wien, führte über Neulerchenfeld und Ottakring hinauf auf den Gallitzinberg, hinunter in das Haltertal, weiter hinüber nach Haderdorf und von dort – bei ausreichender Kondition – nach Mauerbach. Besonders geübte Wanderer kehrten dann um und gingen über den Allerheiligenberg, Steinbach, den Exelberg und Neuwaldegg wieder zurück nach Wien.
50 Jahre später, als der ÖTK mit dem Aufbau des Wienerwaldwegenetzes begann, wurden solche traditionellen Ausflugsrouten mit Pinsel und Farbe in der freien Natur und einige Jahre später auch auf den ersten Touristenkarten des Wienerwaldes nachgezeichnet.
Der Wegabschnitt von Hadersdorf bis zur heutigen Knödelhüttenstraße verlief am Ende des 19. Jahrhunderts noch durch offenes Grünland und der Weg war nicht rot sondern schwarz markiert. Erst 1888 einigte man sich auf eine österreichweit einheitliche Farbgebung bei den Wegmarkierungen. Damals wurden die vier Markierungsfarben rot-blau-gelb-grün als Standard festgelegt. Auf der ÖTK-Karte von 1893 ist der Weg bereits rot eingezeichnet, woran sich bis heute nichts geändert hat. Die rote Markierung endete damals aber nicht beim Eingang des Moosgrabens (heute Kreisverkehr Amundsenstraße/Hüttelbergstraße) sondern führte etwa dem Verlauf der heutigen Ulmenstraße folgend auf den Satzberg und von dort wieder abwärts zum ehemaligen Steinbruch am Gallitzinberg, den man von Ottakring aus leicht erreichen konnte. Der heute noch rot markierte Wegabschnitt Gallitzinberg – Satzberg ist ein weiteres Wegrelikt dieser einstigen Ausflugsroute.
Für einen gelungenen Sonntagsausflug brauchte man aber nicht nur gut gekennzeichnete Wanderwege sondern auch jede Menge Gaststätten, sogenannte „Restaurationen“ in denen man im Halbstundenintervall einkehren konnte. Die einst durchgehende rote Markierung von Hadersdorf nach Ottakring ist ein gutes Beispiel für eine solche Lokalkette entlang einer Ausflugsroute. Bevor man den Weg ins weit entfernte Ottakring antrat, tat man gut daran, sich in der „Casino-Restauration“ der Familie Hullesch, später ein „Casino-Heuriger“, zu stärken, ehe man nach einer halben Stunde seinen Durst in der alten oder neuen Knödelhütte stillen konnte. 15 Minuten später bot sich in Kordon’s Restauration im Haltertal abermals eine Einkehrgelegenheit, dann musste man den steilen Westhang des Satzberges emporsteigen. Von oben leicht bergab gehend gelangte man schließlich zum Wirtshaus am Steinbruch, wo man sich von den Mühen des Wanderns erholen konnte, ehe man wieder bei Kräften, nach weiteren 30 Minuten die alten Heurigen von Ottakring erreichte. Alle hier genannten Gaststätten existieren heute nicht mehr. Auf zwei dieser Restaurationen soll aber näher eingegangen werden, weil sie für die Geschichte dieses Weges bedeutend waren.
Die Knödelhütte befand sich in der nach ihr benannten Knödelhüttenstraße im 14. Wiener Gemeindebezirk. Die Geschichte dieser Gastwirtschaft reicht bis in die Zeit Maria Theresias (1717-1780) zurück. Damals stand hier eine Holzhackerhütte. Einer der Holzhacker war besonders geschäftstüchtig und bot den Vorbeikommenden Speis und Trank an. Die 1758 errichtete Hütte lag verkehrsgünstig an einer Wegkreuzung. Hier führte einerseits die Wegverbindung Ottakring – Satzberg – Hadersdorf und andererseits die Wegroute von Hütteldorf auf die Sophienalpe vorbei. Es entwickelte sich eine Gastwirtschaft, die als Knödelhütte allgemein bekannt wurde. Über den Ursprung des Namens streiten sich die Geister. Angeblich sollen hier anfänglich nur Knödel und Kraut angeboten worden sein, es ist aber auch möglich, dass der erste Wirt den Namen Knödl trug. 1898 bekam die Knödelhütte Konkurrenz. Unmittelbar unterhalb der „Alten Knödelhütte“, entstand die moderne Café-Restauration „Neue Knödelhütte“. So wie in der Alten Knödelhütte konnte man auch hier in einem schattigen Gastgarten mit Kastanienbäumen sein Bier oder seinen Kaffee genießen. Die Neue Knödelhütte wurde 1965 abgerissen. Die Alte Knödelhütte existierte noch 15 Jahre länger, bis sie schließlich 1980 geschlossen wurde. Das Haus auf dem Eckgrundstück Knödelhüttenstraße 27 gibt es in veränderter Form heute noch, auch die alten Kastanienbäume stehen noch im Garten. An der Grundstücksecke kreuzen sich noch immer – sowie vor rund 250 Jahren – der Weg nach Hadersdorf und der Weg auf die Sophienalpe. Vor 140 Jahren wurden diese Wege vom ÖTK rot und blau markiert.
Wie alle markierten Wanderwege war auch der rot markierte Wanderweg von Hadersdorf zum Moosgraben in den 1870er Jahren ein klassischer Wald- und Wiesenweg. Er führte über die große Wiese am Fuße des Kolbeterberges. Rund 20 Jahre nach Bestehen dieses markierten Weges zeichnete sich aber eine gravierende Veränderung ab. Die Wegtrasse sollte einer neuen Siedlung weichen – dem Hadersdorfer Cottage.
Die Idee der „Cottage-Siedlungen“ kam aus England. Dort baute man Mitte des 19. Jahrhunderts im Randbereich der Städte repräsentative Ferienhäuser für das wohlhabende Bürgertum und den Adel. Diese Idee des schönen Wohnens fand bald Nachahmer und so entstanden auch in anderen Ländern solche Siedlungen, z.B. in Berlin, Paris oder Melbourne. Man bezeichnete sie dort auch als „Englische Viertel“. Bei uns wurde der Ausdruck Cottageviertel geläufig, wobei man das englische „Cottage“ pseudofranzösisch mit „Kotèsch“ aussprach und diese Sprechweise auch heute noch so verwendet.
In Hadersdorf wurde im Dezember 1892 die „Cottage-Genossenschaft Weidlingau-Hadersdorf. Genossenschaft zur Erwerbung von Grund und Aufbau von Wohnhäusern.“ gegründet. Das Grundstück, auf dem die Anlage errichtet wurde, gehörte der Familie Laudon, die auch das gleichnamige Schloss besaß. In der Cottagestraße 3 wurde eine im Stil dazupassende „Casino-Restauration“ geschaffen, die anfänglich die Familie Hullesch betrieb. Im Vergleich zum Cottageviertel in Währing mit seinen 350 Häusern, ist das Hadersdorfer Cottage eine sehr kleine und auch einfacher gehaltene Villenkolonie. Aufgrund des nicht so zahlungskräftigen Publikums wurde es auch „Beamtencottage“ genannt.
Der rot markierte Wanderweg musste sich bereits am Ende des 19. Jahrhunderts den neuen Gegebenheiten anpassen und verläuft seither durch die Cottagestraße am Südrand der hübschen Häuserzeile. Trotz zunehmender Verbauung der Salzwiese und der Gründung der Eden- und Jägerwaldsiedlung in der Zwischenkriegszeit konnte die rote Markierung ihren Kurs beibehalten. Sie eröffnet dem Wissenden interessante Einblicke in die Siedlungsgeschichte, dem weniger Wissenden einen wunderschönen Spaziergang durch den reizvollen Landschaftsraum zwischen Stadt und Land.